Personal­knappheit in der Veranstaltungs­technik

Buehne_Bayerische_Staatsoper
Winfried Hösl
Aktuelles I Foto: Bühne Bayerische Staatsoper/2017 Wilfried Hösl

Die Kultur- und Veranstaltungsbranche wurde durch die Covid-19 Pandemie in diverser Hinsicht belastet und verändert. Während der aktuellen Erholungsphase des Veranstaltungsmarktes laufen geplante und nachgeholte Veranstaltungen wieder weitläufig an, so dass 2022 zum Erfolgsjahr in Bezug auf den Ticketverkauf wurde. Die nun wiederkehrenden Live-Event- Veranstaltungen legen jedoch erst offen, wie nachhaltig die Branche beeinträchtigt wurde. Der dabei viel beschriebene Mangel an Fachkräften der Veranstaltungstechnik wird von Veranstaltungsunternehmen als besonders problematisch beschrieben. Die Auswirkungen der Pandemie haben den Personalmangel branchenübergreifend, von Kulturveranstaltungen bis zu Messe- und Businessevents, zu einer zentralen Herausforderung gemacht. Um dem Problem genauer auf den Grund zu gehen, muss bedacht werden, dass der Fachkräftemangel bereits vor der Pandemie ein Problem darstellte. Der Personalmangel speist sich im Wesentlichen aus einem Auszubildendenmangel und der gleichzeitigen Abwanderung von bestehendem Technikpersonal in anderen Branchen. Verursacht wurden diese bereits vor der Pandemie, insbesondere durch Unzufriedenheiten mit den Beschäftigungsbedingungen. Die Auswirkungen der Pandemie sind also nicht die Ursache, sondern wirkten vielmehr als Katalysator für die aktuellen Herausforderungen.

Allgemein umfasst die Veranstaltungstechnik die technische Planung und Durchführung von Veranstaltungen im Live-Entertainment-Bereich (bspw. Konzerte, Festivals, Messen) sowie TV-Aufzeichnungen oder Streaming-Übertragungen. Da besonders die Live-Entertainmentbranche vom Mangel an Fachkräften betroffen ist, steht sie im Fokus der folgenden Betrachtung.

Der demographische Wandel verstärkt den Personalmangel
Die Zahl der Fachkräfte in technischen Bereichen wie z. B. Theaterbühnen-Technik, Beleuchtung, Bühne, Schreinerei etc. ist sinkend; während 2019 noch knapp 200 Stellen allein in der Theatertechnik unbesetzt waren, steigt diese Zahl bis 2030 weiter auf einen Bedarf an über 2.500 Stellen (FAZ, 2019; Deutschlandfunk, 2020). Die DTHG prognostiziert bis 2030 einen langfristigen Bedarf an über 2.500 Stellen in der Veranstaltungstechnik. Doch nicht nur Theater, auch Konzert-, Festival- und weitere Live-Event Veranstaltende stellen einen eklatanten Personalmangel fest (Event Partner, 2022). Eine Befragung des EITW aus dem Jahr 2021 ergab, dass über 70% der Veranstaltungszentren aktuell nach Technikfachkräften suchen (EITW, 2022).

Zum bereits bestehenden Fachkräftemangel kommt hinzu, dass in den kommenden Jahren viele qualifizierte, erfahrene Veranstaltungstechniker/-innen in den Ruhestand gehen. Damit verliert die Branche eine Basis, die sich so schnell nicht wieder ersetzen lässt. Fast 50% des Veranstaltungstechnikpersonals mit Meister-Abschluss werden in den nächsten Jahren ihre Tätigkeiten beenden (Deutschlandfunk, 2019). Dieser Engpass wird zusätzlich durch die sinkende Zahl neuer Auszubildenden verstärkt (Event Partner, 2022). Die Auswirkungen fehlender Veranstaltungstechnikmeister/-innen auf dem Veranstaltungsmarkt werden dabei besonders deutlich, da bestimmte Veranstaltungen ohne die Anwesenheit von Technikpersonal mit Meister-Abschluss nach VStVO rechtlich nicht durchgeführt werden dürfen (IHK Bonn, 2019).

Die Ursachen für den Mangel an Fachkräften sind nur teilweise pandemiebedingt
Bei der Suche nach den Ursachen für den Mangel an Fachkräften der Veranstaltungstechnik können unterschiedliche Faktoren identifiziert werden: Der Mangel an Auszubildenden sowie Abwanderungen in angrenzende bis branchenfremde Bereiche – verstärkt durch die Folgen der Pandemie; damit nimmt die Beschäftigungsdichte in der Veranstaltungsbranche ab. Die Bundesagentur für Arbeit verzeichnet beim Ausbildungsberuf „Fachkraft für Veranstaltungstechnik“ 2021 einen Bewerberrückgang von 16,5% im Vergleich zum Vorjahr (Prolight + Sound, 2022). Auch die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in den Veranstaltungsberufen (Fachkraft für Veranstaltungstechnik sowie Veranstaltungskaufmann/-frau) verringerte sich laut BMBF seit 2019 um 36,7% (BMBF, 2021).

Ein weiterer Faktor für den Fachkräftemangel in der Live-Eventbranche ist die hohe Abwanderungsrate aus der Branche. Dies hat bereits vor der Pandemie ein Problem dargestellt. Maßgeblich verursacht wird dies durch die Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnisse: Besonders in der (Musik-)Theater und Konzert-/Festivalbranche klagen viele Mitarbeitende über die Arbeitsbedingungen und die niedrige Bezahlung von Fachpersonal im Vergleich zu konkurrierenden Branchen. Darüber hinaus sind stark beschränkte Aufstiegsmöglichkeiten, mangelnde soziale Absicherungen und unsichere Auftragsstellungen an Selbstständige, Gründe, für einen hohen Rückgang an Fachpersonal. Zusätzlich erschweren die teilweise sanierungsbedürftigen Ausstattungen von Theater-, Opern- und Konzertstätten das Halten und Rekrutieren von Personal.

Die entstehende Abwanderung führt das Technikpersonal in Bereiche wie z. B. die Unterhaltungsmedien oder die Baubranche. Während in angrenzenden Bereichen teilweise ein höheres Lohnniveau geboten wird, lockt die Baubranche mit deutlich besseren Beschäftigungsbedingungen. Ehemaligen Veranstaltungstechniker/-innen werden dort u. a. freie Wochenenden, bessere Bezahlung, schnellere Aufstiegschancen und langfristigere Verträge angeboten. (FAZ, 2019; Event Partner, 2015) Diese Abwanderungseffekte sind durch die Coronapandemie verstärkt worden. Insbesondere Arbeitnehmende ohne langfristige Anstellungsverhältnisse haben in dieser Zeit die Branche vermehrt verlassen. Minijobbende, Studierende und Beschäftigte in Teilzeit- und Abrufarbeitsverhältnissen haben sich neu positioniert, da sie während der Pandemie keinen Anspruch auf Ausfallförderungen oder Kurzarbeitsgeld erheben konnten.

Erste Lösungsansätze liegen in der Entwicklung neuer Arbeitszeitmodelle und stärkerer Nachwuchsförderung
In einem öffentlichen Brief warnten knapp 50 Veranstaltungsunternehmen sowie Festivalorganisator/-innen vor den Folgen des durch die Pandemie verstärkten Personalmangels in der Livebranche; dabei stellten sie mögliche Maßnahmen aus Arbeitgebenden-Sicht dar, um altes Personal zu reaktivieren, bestehendes Personal zu halten und neues zu rekrutieren (Deutschlandfunk, 2019). Auch die DTHG initiierte eine Arbeitsgruppe zum Fachkräftemangel in der Theaterbranche, um Gegenstrategien und Maßnahmen zu erarbeiten (FAZ, 2019). Eine aktuelle Befragung von Veranstaltenden ergibt, dass die wichtigsten Ansatzpunkte zur Lösung des Personalmangels in der Entwicklung neuer Arbeitszeitmodelle (ca. 80%) sowie in einer stärkeren Nachwuchsförderung (ca. 60%) gesehen werden (EITW, 2022).

Als erfahrene Partnerin begleitet actori Veranstaltungsunternehmen bei der Entwicklung von passgenauen Lösungsstrategien für die beschriebene Personalmangellage. So wurde unter anderem in unserem gemeinsamen Projekt mit Tourismus & Events Ludwigsburg, in der Evaluation des Geschäftsmodells der Veranstaltungstechnik, an einer wirtschaftlichen und langfristig tragfähigen Lösung für Personalengpässe im Technikbereich gearbeitet.

Quellen: 1) BMBF. (2021). Berufsbildungsbericht 2021. Bonn: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), 2) Deutschlandfunk. (16. Dezember 2019). „Es könnte sein, dass der Vorhang zubleibt“. Abgerufen am 16. August 2022, 3) EITW. (April 2022). Meeting- & EventBarometer Deutschland 2021/2022. Frankfurt am Main : Europäisches Institut für TagungsWirtschaft GmbH (EITW) an der Hochschule Harz, 4) Event Partner. (2015). Wie haben sich die Arbeitsbedingungen von freien Stagehands & Technikern verändert? Abgerufen am 30. August 2022, 5) Event Partner. (16. Februar 2022). Personalmangel in der Eventbranche: Wo sind meine Leute? Abgerufen am 30. August 2022, 6) FAZ. (3. Mai 2019). Hier werden alle ausgequetscht wie Zitronen. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7) IHK Bonn. (November 2019). Versammlungsstätten - Der Verantwortliche für Veranstaltungstechnik. Abgerufen am 30. August 2022, 8) Prolight + Sound. (11. März 2022). Fachkräftemangel in der Event-Branche Die. Abgerufen am 30. August 2022.

 

Ein Impulsbeitrag von Joshua Neumann, alumnus.

Zurück