In den letzten Jahren haben viele Städte und Gemeinden weltweit mit dem Phänomen des Leerstands – besonders in Innenstädten – zu kämpfen, da sich die Handelslandschaft durch Online-Shopping, veränderte Konsumgewohnheiten und wirtschaftliche Herausforderungen grundlegend verändert hat.1 Immer mehr Kaufhäuser, einst pulsierende Zentren des Handels, schließen und stehen – teilweise jahrelang – leer.2 Doch leerstehende Kaufhäuser sind nicht nur Folgen eines sich verändernden Einzelhandels, sondern auch der monofunktionalen Ausrichtung vieler unserer Innenstädte, in denen gemeinwohlorientierte, kulturelle Nutzungen bislang wenig Raum finden. Als Treffpunkt der Stadtgesellschaft sind Innenstädte jedoch zentral für das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Menschen und Milieus. Kaufhausimmobilien können in der zukünftigen (Stadt-)Entwicklung eine besondere Rolle einnehmen.
Doch wie können diese leerstehenden Flächen revitalisiert und aktiviert werden? Welche Nutzungskonzepte können für die Nachnutzung von Kaufhausimmobilien in Frage kommen? Wie können wir zukünftig neue Wertschöpfung und gleichzeitig konsumfreie Orte, die integrative Räume und zugleich für alle zugänglich sind, schaffen?
Langwierige und komplizierte Genehmigungsverfahren sind die größte Herausforderung
Eine Analyse bisheriger Nachnutzungen von Kaufhäusern zeigt, dass sich die meisten Kaufhausimmobilien in sogenannten Kerngebieten befinden. Projekte zur Umnutzung von Kaufhäusern unterliegen daher aufgrund ihrer zentralen Innenstadtlage planungsrechtlichen Vorgaben für die Bebauung und Nutzung. Die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen in Kerngebieten zeigen, dass eine Integration kultureller Nutzungsarten in Nachnutzungskonzepten möglich ist. Die Analyse offenbart jedoch auch, dass lange und komplizierte Genehmigungsverfahren fast immer Teil des Transformationsprozesses durch Umnutzung sind. Städten und Kommunen kann in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle zukommen, da sie bürokratische Prozesse teilweise beschleunigen können. Unabhängig von der Lage erschweren die Kubatur und Substanz der Immobilien häufig eine kostengünstige und flexible Umnutzung. So können beispielsweise Raumhöhe und -tiefe herausfordernd sein. Außerdem fehlt es oft an offenen Fensterfronten, um eine angemessene Belichtung und Belüftung zu gewährleisten. Darüber hinaus sind viele dieser Gebäude mit spezifischer Gebäudetechnik wie Rolltreppen, Aufzügen und Belüftungssystemen ausgestattet, die eine umfassende Umgestaltung zusätzlich erschweren.
Skepsis gegenüber der wirtschaftlichen Tragfähigkeit verhindert oft die Integration kultureller Nutzungsarten
Ein Screening relevanter Studien macht deutlich, dass insgesamt mehr privatwirtschaftliche Umnutzungsprojekte von Kaufhäusern zu beobachten sind. Das kann einen Erklärungsansatz dafür liefern, weshalb kulturelle Nutzungsarten bisher in nur wenigen Nachnutzungskonzepten integriert wurden. Privatwirtschaftliche Immobilieneigentümer/-innen denken oft renditeorientiert und zeigen sich daher eher skeptisch gegenüber der wirtschaftlichen Tragfähigkeit kultureller Angebote – ein Thema mit dem zum Beispiel auch viele Kulturinstitutionen konfrontiert sind. Städte und Kommunen hingegen sind auch daran interessiert konsumfreiere Orte mit Aufenthaltsqualität entstehen zu lassen.
Dieser Interessenkonflikt führt stellenweise dazu, dass manche Städte den Kauf und anschließenden Betrieb einer Kaufhausimmobilie in Betracht ziehen. Städte und Kommunen können den Transformationsprozess aber auch in Form einer moderierenden Rolle gestalten, indem sie aktiv auf Immobilieneigentümer/-innen der leerstehenden Kaufhausimmobilien zugehen. Als Mieterinnen und Mieter können sie außerdem dafür sorgen, dass gemeinwohlorientierte, kulturelle Nutzungen mehr Raum in der Innenstadt finden.
Good Practices für die Integration kultureller Nutzungsarten
Trotz der Skepsis gegenüber der wirtschaftlichen Tragfähigkeit, gibt es einige gute privatwirtschaftliche als auch städtische Beispiele für Transformationen von Kaufhäusern, die kulturelle Nutzungsarten in ihrem Nachnutzungskonzept integriert haben. Die folgenden Beispiele zeigen positive Spill-Over-Effekte auf umliegende Straßen und die Stadtgesellschaft. Das CORE gilt als Vorzeigeprojekt dieser Art. Die ehemalige Hertie Filiale wurde umgebaut und öffnete 2021 die Türen mit einem neuen Konzept, das Co-Working-Plätze, multifunktional nutzbare Flächen, eine Markthalle mit Raum für Gastronomie, Lesungen und Konzerte mit Außenbestuhlung im öffentlichen Raum anbietet.
„Bevor das CORE hier eingezogen ist, war die Straße leer. Mittlerweile haben sich hier wieder Läden angesiedelt.“
Ein weiteres Beispiel ist der JUPITER in der ehemaligen Karstadt Sport Filiale in der Mönckebergstraße Hamburgs. Die Stadt aktiviert im Rahmen ihres Programms „Frei_Fläche“ Leerstände unterschiedlicher Größe. Heute finden sich in den verschiedenen Geschossen des ehemaligen Kaufhauses Pop-up Stores, Ateliers, ein Café und Veranstaltungsflächen. Auch eine Dachterrasse lädt zum Verweilen ein.
„Wir haben sehr viel positives Feedback bekommen. Durch die besondere Lage des JUPITERS können wir außerdem viele unterschiedliche Zielgruppen erreichen.“
Das Zwischennutzungsprojekt wurde nun zum zweiten Mal in Folge verlängert. Wie es mit dem Kaufhaus nach der Zwischennutzung weiter gehen wird, ist bisher noch unklar. Eine Intention des Projekts ist, dass Kreativnutzung bestenfalls weiter ermöglicht wird, weil sie Anklang gefunden hat. Denn mit kreativen Nutzungen, die einzigartig sind und die es in sonst keiner anderen Stadt gibt, kann gezeigt werden, dass es genau das braucht, um die Innenstadt wieder zu beleben.
Ein adaptiver Nutzungsmix trägt entscheidend zum Erfolg einer Umnutzung bei
Die Analyse weiterer Beispiele verdeutlicht, dass ein adaptiver Nutzungsmix entscheidend für den Erfolg eines derartigen Projekts ist. Einzelhandel kann im Sinne der Rendite der Immobilieneigentümer/-innen als Ankermieter/-innen fungieren. Durch die Integration kultureller Nutzungsarten können gleichzeitig konsumfreie Orte entstehen, die integrativ und für alle zugänglich sind. Außerdem sind modulare Räume, die sich den Ansprüchen und Angeboten der Mieterinnen und Mieter anpassen, sehr wichtig. In Anbetracht der Herausforderungen ist es entscheidend, dass bei der Ausarbeitung eines neuen zukunftsträchtigen Konzepts eine umfassende und kooperative Herangehensweise verfolgt wird. Eine frühzeitige Ansprache der Interessensgruppen, beispielsweise durch Moderation der Stadt oder Kommune, schafft Zukunft, Integrität und Akzeptanz des Projekts. Patentrezepte für eine kulturelle Umnutzung eines Kaufhauses gibt es nicht. Jeder Standort und jede (Stadt-)Gesellschaft stellen andere Anforderungen an ein derartiges Transformationsprojekt. Gute Vorbilder wie das CORE in Oldenburg oder der JUPITER in Hamburg können jedoch inspirieren.
Als Branchenexpertin sieht actori ein großes Potenzial in der Integration kultureller Nutzungsarten in Nachnutzungskonzepten von Kaufhausimmobilien. Sie interessieren sich für die Umnutzung eines Kaufhauses oder eines Ihrer Bestandsbauten und sind unsicher, wie Sie den Transformationsprozess starten sollen? actori unterstützt Sie gerne dabei. Wir haben ein spezifisches eintägiges Workshopformat entwickelt, in dem wir mit unseren Kundinnen und Kunden gemeinsam ein Nutzungsleitbild als ersten Schritt aufsetzen.
Quellen:
1)https://www.ndr.de/kultur/buch/Mehr-als-Shopping-Von-der-Transformation-unserer-Innenstaedte,innenstaedte142.html
2)https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/unternehmen/galeria-karstadt-kaufhof-insolvenz-zukunft-100.html
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Ein Beitrag von Brenda Schleier, alumna