Im April wird man in vielen Branchen Deutschlands voller Tatendrang sein – ein gutes Beispiel dafür ist die Veranstaltungsbranche. Nach vielen Monaten der Corona-Pandemie, in denen das Zusammentreffen von Menschen stark eingeschränkt wurde, gibt es für Veranstaltende endlich Aussicht auf Rückkehr zur Normalität. So freut sich der Geschäftsführer eines großen Ticketing-Anbieters, dass seit Lockerung der Corona-Maßnahmen täglich mehr Veranstaltungen bei ihm registriert werden.
Wirft man einen Blick zurück, zeigten die Jahre vor dem ersten Lockdown bereits ein Marktwachstum und zunehmenden Wettbewerb: Während die Veranstaltungszahlen in den Jahren vor der Corona-Pandemie rückläufig waren, stiegen sowohl die Anzahl der Teilnehmenden von 393 Mio. auf 423 Mio. als auch der Umsatz des Gesamtmarkts von 70 Mrd. EUR auf 86 Mrd. EUR kontinuierlich an. Das größte Segment bildeten Kongresse und Tagungen, denen rund zwei Drittel aller Veranstaltungen zugeschrieben wurden. Hier zeigte sich ein signifikantes Umsatzwachstum von +16% zwischen 2014 und 2019.
Im Bereich Live-Entertainment führte der Trend zu qualitativ hochwertigen Veranstaltungen und hieraus resultierenden gestiegenen Ticketpreisen; die höhere Investitionsbereitschaft der Teilnehmenden führte trotz eines Rückgangs der Besuchendenzahlen zu einem starken Anstieg des Gesamtumsatzes von ca. 35%.
Ein Ausblick
Die Corona-Krise hatte weitreichende Folgen für die Veranstaltungsbranche und wird diese auch zukünftig prägen. So kann man davon ausgehen, dass die Corona-Zeit sowohl einen qualitativen Strukturwandel als auch die großen Trends zu Individualisierung, Nachhaltigkeit oder Digitalisierung befördert. Beispielsweise stieg bereits vor der Pandemie der Anteil hybrider oder rein virtueller Tagungen kontinuierlich an. Dieser Trend wird sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen, der möglicherweise auch mit einer sinkenden Zahlungsbereitschaft für klassische Präsenzveranstaltungen einhergeht.
Man kann davon ausgehen, dass sich aufgrund dieser Trends die durchschnittliche Größe der Veranstaltungen zukünftig verschieben wird. Hinzu kommt, dass Veranstaltende durch die Anpassung von Reiserichtlinien in Unternehmen von einem geringeren Reiseaufkommen ausgehen. Hieraus folgt ein genereller Trend zu kleineren, regionalen Veranstaltungen. Bereits vor der Corona-Pandemie in den Jahren zwischen 2014 und 2019 verzeichneten Großveranstaltungen (>2.000 Personen) des Segments Kongresse und Tagungen einen starken Rückgang um knapp 16%, während kleinere Veranstaltungen des Segments (<250 Personen) knapp zwei Drittel der Veranstaltungen ausmachten. Internationale Gäste werden voraussichtlich zukünftig hauptsächlich digital an Veranstaltungen teilnehmen.
Der durch die Corona-Pandemie angestoßene Strukturwandel im Veranstaltungsmarkt schafft gleichzeitig Raum für neue, innovative Konzepte. Hierzu gehört etwa die Verteilung einer großen Veranstaltung auf mehrere, räumlich getrennte Veranstaltungsorte. Dabei können Präsenzformate und hybride Formate kombiniert werden, so dass räumlich getrennte Teilnehmende weiterhin die Möglichkeit haben, beispielsweise per Videokonferenz miteinander zu interagieren. Neben der technischen Infrastruktur wird somit der individuelle Zuschnitt des Events auf die spezifischen Bedürfnisse der Teilnehmenden zukünftig noch mehr Bedeutung zukommen.
Langfristig kann aber davon ausgegangen werden, dass sich die Marktlage stabilisieren wird. Das Europäische Institut für Tagungswirtschaft (EITW) schaut vorsichtig optimistisch in die nahe Zukunft. Es setzte im Jahr 2021 zwei Zukunftsszenarien auf, wobei eines von einer baldigen Aufhebung des Veranstaltungsverbots und ein zweites von reduzierten Auflagen ausging. In beiden Szenarien geht man von einer Erholung des Marktes aus, wenngleich sich diese Erholung jeweils nur schrittweise und im zweiten Szenario etwas verzögert einstellt. Von einer schrittweisen Erholung geht ebenfalls der Bericht der Strategic Alliance of the National Convention Bureaux of Europe aus, der für das Jahr nach Aufhebung der Corona-Restriktionen ein Ausgabenniveau von 33% unter dem vorpandemischem Niveau in 2019 prognostiziert. Hintergrund der schrittweisen Erholung ist einerseits die Dauer, bis Veranstaltende wieder auf voller Kapazität arbeiten können; andererseits die Tatsache, dass größere Veranstaltungen langsamer wieder angeboten werden können als kleinere. Der Marktumsatz wird laut dem National Convention Bureaux of Europe somit erst etwa vier Jahre nach Aufhebung der Corona-Restriktionen auf oder über das vor-pandemische Niveau steigen.
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Ein Impulsbeitrag von Tassilo von Schmeling, Beratung.