Die künstlerische Planung bestimmt mit dem Konzertprogramm die Ausrichtung von Sinfonieorchestern und steht dabei im Spannungsfeld zwischen künstlerischer Freiheit, gesellschaftlicher Verantwortung und wirtschaftlicher Realität. Dabei beeinflussen vor allem Gastkünstler/-innen und etablierte Repertoire-Traditionen die Programmauswahl, wirtschaftliche Aspekte wie die Auslastung spielen hingegen häufig noch eine zu geringe Rolle, obwohl sie eigentlich wertvolle Einblicke liefern könnten. Ein datenbasierter Ansatz zur Evaluation könnte die Planung optimieren, ohne die durch staatliche Subventionen gesicherte künstlerische Vielfalt und Autonomie zu gefährden.
Das Konzert im gesellschaftlichen Spannungsfeld
Die künstlerische Planung bestimmt das Kernprodukt eines Sinfonieorchesters: das Konzert. Die Grundlage des Konzerts, das gespielte Programm, ist somit das zentrale Werkzeug zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Positionierung des Orchesters. Daraus ergibt sich ein Spannungsfeld, das von den Verantwortlichen ausgelotet werden sollte. Auf der einen Seite muss die Frage beantwortet werden, welchen Zweck ein Sinfoniekonzert erfüllen soll: Dient es der reinen Unterhaltung des Publikums oder will man es intellektuell herausfordern? Auf der anderen Seite gilt es, mit den staatlichen Subventionen verantwortungsvoll umzugehen. In der Realität werden die gesellschaftspolitischen Fragen jedoch oft einigen konkreten Planungsfaktoren untergeordnet, wie actori durch Interviews mit Verantwortlichen in der künstlerischen Planung und Literaturrecherchen herausgearbeitet hat.
Den größten Einfluss auf das gespielte Programm haben die Gastdirigentinnen und -dirigenten sowie die Gastsolistinnen und -solisten. Wegen ihrer Sonderrolle im Konzert müssen ihre künstlerischen Vorstellungen besonders berücksichtigt werden. Mal bringen Sie konkrete Programmvorschläge mit, mal müssen diese in Gesprächen ausgelotet werden. Allgemein gilt: Je bekannter, desto größer das Mitspracherecht. Aber auch die Orchestermusiker/-innen selbst haben oft die Möglichkeit, in verschiedenen Gremien mitzubestimmen. Daneben gibt es noch eine Vielzahl weiterer Einflussfaktoren wie etwa die Verfügbarkeit von Konzertsälen oder Verlage und Labels, die in das endgültige Programm einfließen.
Die Auslastung als Key Performance Indicator
Wirtschaftlichkeitserwägungen im Zuge der künstlerischen Planung stehen gemäß der Interviews hingegen vor allem bei den etablierten Orchestern nicht an erster Stelle. Die einzige Größe, die wirklich Gewicht hat, ist das feste Budget, mit dem eine ganze Saison gewirtschaftet wird. Deutlich weniger Beachtung findet eine weitere Kennzahl, die jedoch einen Key Performance Indicator von Konzerten darstellt: die Auslastung. Sie schwebt über der gesamten künstlerischen Planung, wird aber in diesem Zusammenhang selten konkret untersucht und evaluiert. Dabei lassen sich aus der Auslastung einige Erfolgsfaktoren für ein Konzert ableiten. Die exemplarische Untersuchung der Auslastung einzelner Konzerte eines deutschen A-Orchesters hat gezeigt, dass diese mit der Konventionalität des Konzertprogramms steigt. Klassische Musik folgt seit Mitte des 19. Jahrhunderts einer strengen Regel: Nur die populärsten (und damit gleichzeitig die dem Publikum am besten angepassten) Werke überleben, der Rest verschwindet mit der Zeit. Dieser Repertoirekanon wird auch heute noch überwiegend bedient und legitimiert sich somit tatsächlich auch durch die Auslastung, die er generiert. Beispielsweise steht Beethoven bei der Betrachtung der Einzelkomponistinnen und -komponisten an erster Stelle, moderne Komponistinnen und Komponisten folgen mit einigem Abstand.
Wirtschaftlicher Blickwinkel als Chance
Entlang des anfangs skizzierten Spannungsfelds wird entsprechend deutlich: Die einfache Handlungsempfehlung an ein Orchester, ab sofort nur noch Werke dieser Komponistinnen und Komponisten zu spielen, kann nicht zur Maxime werden. Qualität und Vielfalt dürfen nicht ausschließlich an der Besuchendenzahl gemessen werden. Vielmehr ermöglicht die staatliche Subvention den Orchestern eine künstlerische Freiheit, die sich unabhängig von kurzfristigen wirtschaftlichen Zwängen entfalten kann. Dennoch bietet ein wirtschaftlicherer Ansatz neue Perspektiven für die künstlerische Planung. Eine datenbasierte Evaluation kann helfen, das Publikum besser zu verstehen, ohne dabei die künstlerische Vielfalt zu gefährden. Analysen zur Auslastung können beispielsweise Hinweise auf regionale Vorlieben oder ungenutzte Potenziale liefern, die bei der Programmgestaltung berücksichtigt werden können. Diese Daten sollten jedoch nicht als alleiniger Maßstab dienen, sondern als unterstützendes Instrument, das die Planung differenziert und gezielt optimiert.
Letztlich liegt die Herausforderung darin, die Balance zwischen künstlerischer Autonomie und einer reflektierten Wirtschaftlichkeit zu wahren – zugunsten eines vielfältigen und lebendigen Konzertangebots, das die klassische Musik in ihrer ganzen Breite erlebbar macht.
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Ein Beitrag von Frederik Falk, alumnus.